Kongress zu Reproduktionsbedingungen und Perspektiven kritischer Theorie

Kritische Wissenschaft, Emanzipation und die Entwicklung der Hochschulen

1.-3. Juli 2005

Universität Frankfurt am Main, Studierendenhaus

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus und vor allem durch zurückkehrende Emigranten konnten sich an den Hochschulen in Deutschland Ansätze kritischen Denkens und kritischer Theoriebildung entfalten. Obwohl in vielen Disziplinen zahlreiche Kräfte dagegen wirkten, gelang es den VertreterInnen kritischer Wissenschaft und kritischer Theorie in den vergangenen Jahrzehnten, sich und ihre wissenschaftliche Arbeit an den Hochschulen zu reproduzieren. Hier konnten sie in wenn auch eingeschränktem Maße Möglichkeiten für autonomes und aufklärendes Denken finden. So trugen zum Ärger konservativer Kräfte die Hochschulen der Bundesrepublik zum demokratisch-kritischen Selbstverständnis mehrerer Generationen von akademisch Qualifizierten bei. Sie konnten in den verschiedenen Disziplinen die wissenschaftlichen Argumente einer kritischen Gesellschaftsanalyse kennen lernen, erarbeiten und in der Diskussion testen. Radikale Demokraten, Linke, AktivistInnen aus der Frauenbewegung und den neuen sozialen Bewegungen konnten hier ihr kritisch reflektiertes Selbstverständnis der (west)deutschen Gesellschaft und ihrer Fachgebiete entwickeln.

Mit dem Einsetzen der neoliberalen Hochschulreform werden die Arbeitsbedingungen kritischer Wissenschaft an den Hochschulen erheblich erschwert, wenn nicht gar zerstört. Dass dies als Nebeneffekt vielen willkommen ist, die noch heute gegen die 68er-Bewegung kämpfen, versteht sich. Gesellschaftskritische Ansätze werden zunehmend verdrängt. Die Verdrängung geschieht nicht nur durch eine tendenziöse Berufungspolitik, die durchaus Zeichen eines neuen McCarthyismus trägt. Reaktionäre Wissenschafts- und Personalpolitik wird auch durch Hochschulstrukturmaßnahmen wie bspw. die Streichung gesellschaftswissenschaftlicher Fakultäten und Studiengänge, durch Personalpolitik, durch finanzielle Einschnürung der freien Forschung, durch die Überlastung der WissenschaftlerInnen mit Verwaltungsaufgaben, die wissenschaftliches Arbeiten verhindern, oder durch Leistungsdruck vollzogen. Die Spielräume für kritisches Denken werden enger. Gefragt ist verstärkt wieder verwertbares, billiges, technokratisch verfügbares Wissen. Die zunehmend marktförmige Ausrichtung der Hochschulen bedroht die kritischen Wissenschaften wie ihre Möglichkeiten, demokratisierend und kritisch auf die Gesellschaft einzuwirken.

Mit dem Kongress werden folgende Ziele verfolgt:

Eine Einschätzung der Auswirkungen der neoliberalen Hochschulreform auf kritische Theorie und Wissenschaft;

eine Bestandsaufnahme der Orte kritischer Theoriebildung außerhalb der Hochschulen;

eine Diskussion darüber, wie die Verdrängung kritischer Theorie und Wissenschaft aus den Hochschulen verhindert und durch außerhochschulische Reproduktion kritischer Wissenschaft entgegengetreten werden kann;

eine Vernetzung von AkteurInnen aus verschiedenen Bereichen der Produktion kritischer Theorie;

ein Anstoß zur weiteren Diskussion über die Perspektiven kritischen Wissens in der neuen Phase des Kapitalismus.

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